Nach einer fast einjährigen Hängepartie wurde das Solarpaket I nach Beschluss im Bundestag am 26. April 2024 vom Bundesrat verabschiedet - wichtige Verbesserungen für die Solar- und Speicherbranche werden aller Voraussicht nach zeitnah in Kraft treten. Ziel des Maßnahmenpakets ist es, den Ausbau der Solarenergie von 14,8 GWp installierter PV-Leistung im Jahr 2023 auf 22 GWp pro Jahr ab 2026 zu beschleunigen. Nachdem ein Pandemiesondervermögen in Höhe von 60 Mrd. Euro in den Klimafonds nicht umgewidmet werden durfte und damit eine Haushaltskriese bei der Bundesregierung auslöste, herrschte Unsicherheit über den Fortgang des Solarpakets.
„Es hat länger gedauert, als wir uns das gewünscht hätten“, verlautete Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar) im Intersolar Europe Webinar zum Solarpaket I am 30. Mai 2024. Allgemein zeigte er sich jedoch mit den Ergebnissen des Reformpakets zufrieden – wichtige Verbesserungen gibt es in den Bereichen Freiflächen- und Dachanlagen, Balkon-PV, Energiespeicher, PV im Gewerbesegment, gemeinschaftliche Gebäudeversorgung und Mieterstrom sowie Repowering von Altanlagen.
Obwohl die Freiflächenanlagen von 2022 nach 2023 einen Zuwachs von 45 Prozent erfuhren, lag der Zielerreichungsgrad für die jährlich installierte PV-Leistung in diesem Segment 2023 noch bei 40 Prozent. Beschleunigt werden soll der Ausbau mit einer weitreichenden Flächenöffnung, die nun grundsätzlich die sogenannten benachteiligten Gebiete miteinschließt. Die Reformierung des Wegenutzungsrechts ist eine weitere Komponente, die mit Verabschiedung des Solarpaket I für Tempo bei den Freiflächenanlagen sorgen soll. Dabei geht es um die Anbindung einer Freiflächenanlage zum nächsten Netzanschlusspunkt. Die Eigentümer müssen die Verlegung und Wartung des Kabels nun unter zumutbaren Umständen dulden – jedoch wurde die Änderung des Wegenutzungsrechts abgeschwächt, da sie lediglich auf Flächen der öffentlichen Hand angewendet wird.
Für die Anwendungen Agri-PV, Floating-PV, Parkplatz-PV und Moor-PV wird mit den „besonderen Solaranlagen“ nun ein eigenes Ausschreibungsuntersegment geboten. Erfreulich ist hier der auf 9,5 ct/kWh erhöhte Höchstwert sowie der Einschluss von vertikaler Agri-PV. Wichtig ist, dass die Parkplatz-PV in dem mehrstufigen Zuschlagsverfahren immer den Vorrang vor anderen besonderen Solaranlagen und den übrigen Geboten bekommt.
Ganz neu definiert wurden im Solarpaket I naturschutzfachliche Mindestkriterien für alle geförderten Freiflächenanlagen.
PV im Gewerbesegment hat in Deutschland Fahrt aufgenommen – das enorme Potenzial lag hier lange Zeit aufgrund der mangelnden Lukrativität brach. 2023 jedoch erfuhr der Gewerbemarkt einen Zuwachs von 92 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Solarpaket I zielt darauf ab, diese Entwicklung weiter zu begünstigen: Die Vergütungssätze für Anlagen zwischen 40 und 750 kWp wurden von 6,14 auf 7,64 ct/kWh angehoben, auch das Ausschreibungsvolumen wurde von bisher 900 MW auf 1.400 MW in diesem Jahr vergrößert und steigt schrittweise bis 2026 auf 2.300 MW. Die Pflicht zur Anlagenzertifizierung, welche durch hohe Kosten die Umsetzung vieler Anlagen verhindert hat, beginnt zukünftig bei 500 kWp Erzeugungskapazität bzw. 270 kWp Einspeiseleistung.
Als Grundlage für den Netzanschluss gilt zukünftig die Niederspannungsrichtlinie statt der Mittelspannungsrichtlinie, was den Prozess erheblich vereinfacht. Außerdem wird, mit hoher Relevanz für das Gewerbesegment, die Direktvermarktungspflicht flexibilisiert: Die unentgeltliche Abnahme wird eingeführt, bis Ende 2025 für Anlagen bis 400 kWp, für Neuanlagen ab 2026 bis 200 kWp. Dies hat folgenden Vorteil: Anlagen über 100 kWp, die einen hohen Anteil an Eigenverbrauch aufweisen, dürfen die Restmengen zukünftig unvergütet einspeisen, statt gezwungen zu werden, in die aufwendigere Direktvermarktung gehen zu müssen.
Das Konzept Mieterstrom hat in der Vergangenheit nicht zur Entfesselung des Potenzials von Mehrfamilienhäusern geführt: zu kompliziert und umfangreich waren die Verpflichtungen für den Anlagenbetreiber. Das soll sich mit Einführung der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung nun ändern: Die Versorgungspflicht des Anlagenbetreibers für den Haushalt fällt nun weg, eine vereinfachte Belieferung und viertelstündliche Bilanzierung verspricht eine Erhöhung der Attraktivität von Solarprojekten bei Mehrfamilienhäusern. Der Restbezug kann damit einfach über individuelle Stromlieferverträge mit örtlichen Versorgern erfolgen. Das Potenzial ist riesig: Laut BSW-Solar geht es hier um 6,4 Mio. kleinere Mehrfamilienhäuser mit 2 bis 12 Wohneinheiten.
Auch beim bestehenden Konzept Mieterstrom gibt es Änderungen: Denn dieses findet mit Verabschiedung des Solarpaket I auch im Gewerbebereich Anwendung und wird auch auf Nebengebäude erweitert.
Die beliebten Steckersolargeräte können zukünftiger noch einfacher ans Netz angeschlossen werden: das Anmeldeverfahren wurde vereinfacht und die Geräte können nun auch vor Zählertausch in Betrieb genommen werden. Als eigene Anlagenkategorie im EEG bis 2000W PV-Kapazität muss keine Anlagenzusammenfassung mit anderen PV-Anlagen des Hauses mehr befürchtet werden.
Im Bereich Speicher und Einspeisung von gespeichertem Grünstrom gab es wichtige Änderungen: Bei einer späteren Einspeisung von Grünstrom ins Netz erfolgt nun trotzdem die Vergütung für EEG-Strom, und nicht für ungeförderten Speicherstrom. Das ist für Anlagen, die sich in der Direktvermarktung befinden, relevant – denn hier kann die Marktprämien erhalten und gleichzeitig ein höherer Erlös durch die variierenden Preise an der Strombörse erzielt werden. Des Weiteren wird ein Wechsel von Netzbezug und Direktvermarktung zukünftig in viel kürzeren zeitlichen Abständen möglich.
Gute Nachrichten gibt es mit der Verabschiedung des Solarpaket I auch für Altanlagen: Die sogenannte Marktwertdurchleitung wird bis 2032 verlängert: bis zu einer Leistung von 100 kWp vermarktet der Netzbetreiber den Solarstrom abzüglich einer Gebühr und leitet den Erlös an den Betreiber weiter. Auch das Repowering, der Austausch ausgedienter PV-Module im Heimanlagensegment, wurde vereinfacht: künftig dürfen die Komponenten ohne Auswirkung auf bestehende Vergütungsansprüche ausgetauscht werden – wird eine Mehrleistung installiert, wird diese als Neuanlage vergütet.
Zu guter Letzt ist es einfacher geworden, Anlagen bis 30 kWp ans Netz anzuschließen: Zukünftig darf dies selbstständig erfolgen, wenn der Netzbetreiber nicht innerhalb von 4 Wochen auf das Netzanschlussbegehren und innerhalb 8 Wochen über auf die Netzverträglichkeitsprüfung antwortet.