20 Jahre nach dem ersten “Solarboom“ kommen die ersten PV-Großanlagen an ihr offizielles Lebensende. Oftmals ist nicht klar – kann die Anlage weiter betrieben werden? Unter welchen Umständen? Müssen Komponenten getauscht werden, und welche Geschäftsmodelle gibt es für den weiteren Betrieb? Hier wird ein sogenanntes Repowering in Betracht gezogen. Beim Revamping hingegen geht es um die Verbesserung von Ertrag und Leistung einer bestehenden Anlage.
Beide Konzepte werden auf einem gereiften Solarmarkt zunehmend wichtig. Wie diese Prozesse ablaufen und worauf zu achten ist, erklärte uns im Interview Tomaso Charlemont – Head of PV Revamping / Repowering EMEA bei BayWa r.e. auf der Intersolar Europe Conference 2024, auf der es auch eine Konferenzsession zu dem Thema gab. BayWa r.e. hat bereits in mehreren Ländern PV Revamping- und Repowering-Projekte mit insgesamt mehr als 250MWp umgesetzt.
Ein Revamping wird vorgenommen, wenn eine Anlage leistungsschwach ist oder Komponenten hat, die technische Probleme aufweisen. Sei es bei Modulen, bei Wechselrichtern, bei Trafostationen oder aber auch bei Kabeln. Oftmals sind dies technisch begründete Modernisierungsarbeiten, die durchgeführt werden müssen, weil daraus resultierende Fehler zur Abschaltung der Anlage führen können. Revamping kommt erst dann zum Tragen, wenn der gezielte Austausch einzelner Komponenten durch Wartungseinsätze nicht mehr ausreicht oder möglich ist, und der Ersatz aller oder großer Teile der Hauptkomponenten vorgenommen werden muss.
Das Konzept für Repowering ist etwas, was danach kommt oder kommen kann, begründet durch die technologische Entwicklung der Komponenten, die über die letzten Jahre stattgefunden hat. Module, die heute eingesetzt werden, haben einen Wirkungsgrad, der doppelt so hoch ist wie die Module von vor zehn Jahren. Genauer gesagt, vor zehn Jahren hatte ein Modul einen Wirkungsgrad von ca. 12 Prozent, heute sind wir bei 24 Prozent. Durch den Ersatz alter Module durch Aktuelle ergeben sich nun zwei Möglichkeiten. Sie können die Nennleistung der Anlage erheblich erhöhen, oder bei der ursprünglichen Nennleistung bleiben, behalten damit die ursprüngliche Einspeisevergütung und bis zu zwei Drittel der bisher genutzten Fläche wird frei. Das führt zu der Frage: Was tun mit dem freigewordenen Land? Vorausgesetzt, man bekommt einen zusätzlichen Netzanschluss, macht natürlich der Zubau zusätzlicher Kapazität Sinn. Der große Vorteil hierbei ist, dass keine neue Baugenehmigung, inklusive Standortstudien, mehr notwendig ist, da ja bereits eine Baugenehmigung von der ursprünglichen Anlage vorliegt. Sie dürfen wieder eine Solaranlage dort bauen, wo es bereits eine Solaranlage gab.
Es bestehen wie bei jedem Neuprojekt verschiedene Optionen zur Vermarktung des Stroms. Das kann die Direktvermarktung sein, das kann aber auch ein PPA (Power Purchase Agreement) oder Eigenverbrauch sein. Sie können sich natürlich auch für das Sichern einer neuen Einspeisevergütung entscheiden.
Eigentlich gibt es keinen richtigen Zeitpunkt. Denn die technischen Probleme können zu einem beliebigen Zeitpunkt erscheinen. Beispiel Module: Es gibt Module, die schon nach zehn Jahren, in denen sie Wettereinflüssen ausgesetzt waren, technische Probleme aufweisen. Das war Teil der Lernkurve, dass man vor zehn Jahren gewisse Materialen eingesetzt hat, die sich erst jetzt als ungeeignet herausstellen. Aber es gibt auch Solarmodule, die seit über zehn oder seit 20 Jahren installiert sind und überhaupt kein Problem aufweisen. Neben den Modulen gibt es die Wechselrichter. Da gab es in der Vergangenheit viele Hersteller, die es heute nicht mehr gibt. Das heißt, es gibt auch keine anständige Wartung oder Ersatzteile mehr. Weitere Komponenten wie Kabel oder Trafostationen können ebenfalls Schwachstellen sein. Damals wollte man schnell bauen und hat nicht unbedingt auf die Haltbarkeit der Materialien geachtet.
Wenn ich mich festlegen müsste, würde ich aber aufgrund der damals verbauten teilweise fehleranfälligen Solarmodule sagen, dass nach rund 10 Jahren eine Optimierung notwendig werden kann. Zur Frage was ausgewechselt werden muss, ist zu sagen, dass das sehr individuell ist. Grundsätzlich gilt allerdings, dass es Sinn macht, bei einer Optimierung gleich mehrere Komponententypen auszutauschen. Dann hat der Betreiber für die nächsten 25 Jahre Ruhe. Denn mittlerweile sind die Kosten dieser Komponenten ein Zehntel des Preises von vor zehn Jahren.
Das ist natürlich kein Muss. Wir haben bereits Anlagen modernisiert, wo wir nur die Module ausgewechselt haben und die Wechselrichter, die vor zehn Jahren installiert wurden, gut gewartet von den Herstellern und perfekt funktionstüchtig, sind geblieben.
Ja, nicht bewusst, aber es handelt sich um eine Modernisierung einer Anlage. Grundsätzlich könnte man denken, dass man Komponenten eins zu eins austauschen kann. Aber da täuscht man sich, weil die technische Entwicklung der Komponenten dagegenspricht, die Module sind größer geworden und die Wechselrichter kleiner.
Genau. Die Frage ist: Kann die Unterkonstruktion angepasst werden? Was zu Gunsten eines Revampings spricht, ist dass neue Module leichter sind, obwohl sie größer geworden sind. Sprich, neue Module bedeuten keine zusätzliche Last. Also kann die Unterkonstruktion bleiben. Normalerweise hat man weniger Quadratmeter für dieselbe installierte Leistung, weil die Effizienz gestiegen ist. Oft muss die Unterkonstruktion aber angepasst werden, weil die Breite und die Länge der Module nicht mehr dieselbe ist. Befestigungsklammern müssen vielleicht versetzt werden.
Zum Teil gibt es Hersteller, die es heute noch gibt, die damals geliefert haben, und die dann auch dem Kunden beistehen und sagen: „Wir kennen die Anlage, wir haben noch die Zeichnungen, kann gemacht werden“. Aber es gibt auch Fälle, wo es diese Firmen einfach nicht mehr gibt.
Absolut. Es ist ja nicht wie bei einem Neubau, wo man ein grünes Feld hat und dann einfach Gräben für die Kabel legt, Pfosten reinrammt. Es ist ja bereits alles vorhanden und das bringt natürlich eine Komplexität mit sich. Dementsprechend muss man präzise planen, wie man in eine bereits bestehende Anlage sinnvoll optimiert.
Der Anlagennutzungsgrad hängt von zwei Faktoren ab. Das sind die Module und die Wechselrichter. Bei den Modulen wird der Ertrag im Strom gemessen, verglichen mit dem, was theoretisch laut Herstellertabelle möglich wäre, gemäß einer globalen Einstrahlung. Das heißt, ist die Effizienz dieses Moduls geblieben? Innerhalb jeden Jahres verliert man heute nur 0,2 Prozent Leistung durch Modulalterung; bei Modulen der ersten Generation waren es jedoch 0,4 Prozent. Ist jetzt dieser Verlust innerhalb der ursprünglich geplanten Werte, oder ist er größer geworden? Das gibt dann dieser PR-Wert her.
Aber der PR-Wert wird oft auch vom Verfügbarkeitsgrad der Wechselrichter hergestellt. Normalerweise nimmt man bei einem Wechselrichter an, dass er während energieerzeugbarer Zeiten zu 90 bis 98 Prozent funktioniert. Nehmen wir an, die Anlage funktioniert geplante 92 Prozent der Zeit: Wenn der Wechselrichter defekt ist, müssen Ersatzteile bestellt werden und für zwei Wochen funktioniert die Anlage nicht, weil dieser Wechselrichter abgeschaltet ist, dann werden aus diesen 92 Prozent schnell 80 Prozent oder weniger. Das heißt, der Zuverlässigkeitsgrad der Wechselrichter spielt eine enorm große Rolle. Darauf bezieht sich der PR-Faktor. Das ist ein sehr wichtiger Wert für uns, um mit den Kunden darüber zu sprechen, wo wir eigentlich einschreiten müssen, um das Problem zu lösen. Vielleicht sind es nicht die Module, vielleicht ist es der Wechselrichter, vielleicht sind es die Kabel im Boden. Wir hatten einen Fall in England, bei dem wir Trafos und Wechselrichter ausgewechselt haben und der PR-Wert ist um 39 Prozent gestiegen.
Das heißt also, die Anlage ist zuverlässiger geworden. Es wird nicht mehr Strom erzeugt, aber dadurch, dass die Anlage zuverlässiger geworden ist, kann zuverlässiger Strom ins Netz eingespeist werden.
Der zweite Faktor ist der Ertrag, also die Energieerzeugung. Wie viel Megawattstunden kann die Anlage erzeugen? Das hängt von dem Wirkungsgrad der Module ab. Wenn ich neuere Module einsetze, sind diese effizienter und können mehr Strom erzeugen. Effizientere Wechselrichter, die haben einen Wirkungsgrad von 99 Prozent, damals waren es 96 Prozent. Damit kann ich eine größere Menge an Energie erzeugen. Wenn ich in Betracht ziehe, dass ich in gewissen Fällen auch von einer festen Unterkonstruktionen auf ein Nachführsystem umsteigen kann – das ist in Deutschland möglich mit der letzten Gesetzesänderung – habe ich natürlich mehr Stromerzeugung. Je nach Standort und Anlage kann dadurch bis zu 40 Prozent mehr Energie erzeugt werden. Damit haben wir einen doppelten Effekt: Die verbesserte Zuverlässigkeitsrate der Anlage und dazu noch zusätzliche Energieerzeugung: Das ist hochinteressant für Investoren und Anlagenbesitzer.
In dem Moment, wo eine Anlage zum wirtschaftlichen Lebensende kommt – das heißt, die Einspeisevergütung und der Pachtvertrag laufen aus – soll die Anlage grundsätzlich abgebaut werden. Das ist das sogenannte Decommissioning. Das muss aber nicht heißen, dass, nachdem die Anlage abgebaut wurde, nicht eine neue Anlage auf der gleichen Fläche realisiert werden kann. Das ist dann ein Repowering.
Bei einem Decommissioning muss der Anlagenbesitzer das Land wieder in denselben Zustand hinterlassen, wie er es vorgefunden hatte. Er kann aber auch einen neuen Pachtvertrag für weitere 30 Jahre machen. Eine Baugenehmigung gibt es bereits für dieses Land und wenn auch der Netzanschluss verlängert werden kann, dann bietet sich ein Repowering an. Daher schließt ein Decommissioning ein Repowering grundsätzlich nicht aus. Bei neuen Projekten sind Landverfügbarkeit und Netzanschluss die derzeitigen Hindernisse – und genau das ist ja, was eine alte Anlage hat.
Deutschland ist eines der letzten Länder gewesen, die diese Anpassung vorgenommen haben. Frankreich, Italien und auch Spanien haben das bereits vor vier, fünf Jahren ermöglicht. Allerdings ist die Ausgestaltung dieser Gesetzesänderungen von Land zu Land sehr unterschiedlich. So haben wir in Deutschland aktuell die besten Bedingungen. Waren bis 2023 die Vorgaben noch sehr restriktiv – erlaubt war nur der Austausch einzelner Module, wenn ein nachweisbarer Defekt vorlag – so haben wir heute hierzulande die größtmögliche Flexibilität, da die komplette Optimierung der Anlage möglich ist, solange die ursprüngliche Nennleistung beibehalten wird.
Genau. Deutschland ist da ein schlafender Riese. Wir sehen hier ein extrem großes Potenzial.
Das Kriterium ist grundsätzlich die Erkenntnis, dass die Anlage weniger Energie erzeugt als ursprünglich geplant. Bei der Fehlersuche gibt es unterschiedlichen Vorgehensweisen. Zumeist wertet man zuerst die Messwerte der Wechselrichter aus, d.h. Erträge und Wirkungsgrade, um zu verstehen, wie schlimm das Problem ist. Anschließend werden die Module analysiert, mit Drohnen, die über die Module fliegen und Infrarotkamera. Damit erkennt man mögliche Hotspots und Schwachstellen – auch bei Wechselrichtern.
Dann kann man gewisse Komponenten isoliert ausbauen und im Labor testen. Wir machen in der Regel auch eine optische Besichtigung, um Probleme wie beispielsweise sich ablösende Rückseitenfolien festzustellen. Aus der Analyse geht ein kompletter Bericht hervor, mit Empfehlungen für den Anlagenbesitzer.
Es ist eine rein finanzielle Analyse, die gemacht wird, das heißt: Wäre es finanziell interessant, dass man leistungsschwache Komponenten mit Neueren ersetzt? Wie viel Energie gewinne ich? Diese Analyse machen normalerweise die Anlagenbesitzer selbst am besten, da sie die Finanzen der Anlage kennen und wissen was die Anlage an Gewinnen und Verlusten erbringt. Als technische Berater können wir einen Ausblick geben und mögliche zukünftige Erträge kalkulieren. Wenn eine Anlage jedoch ein technisches Problem aufweist, zum Beispiel bei Modulen, dann haben wir die Pflicht, den Kunden vor eventuellen Risiken zu warnen, was geschehen könnte, wenn nichts unternommen wird, beispielsweise ein Brandfall.
Die sind groß und oft unterschätzt. Viele denken Revamping oder Repowering ist ein simples Ersetzen von Komponenten. Sie stellen sich Solartechnologie wie LEGO vor. Dem ist aber nicht so. Denn im Vergleich zu einer neuen Anlage, wo sie auf die grüne Wiese bauen, gehen Sie beim Revamping und Repowering in eine bereits bestehende Anlage rein. Teile der Anlage sind bereits ans Netz angeschlossen. Das erfordert gesonderte Planung der Arbeiten, die vorgenommen werden müssen. Sie haben weniger Platz, es gibt einen Zaun und die Anlage. Die ganze Auslegung der Anlage wird anders. Es muss extrem gut geplant werden, und es müssen auch die entsprechenden Kompetenzen bei den beteiligten Firmen vorhanden sein. Es ist ein sehr spezifischer Job, die Planung und das Engineering für diese Anlagen zu machen.
Mittlerweile können praktisch über 95 Prozent der Materialien eines Solarmoduls zurückgewonnen werden. Recycling ist heute wirtschaftlich. Die installierten Komponenten, sind das Eigentum des Anlagenbesitzers. Wir vermitteln, beraten und organisieren die Abholung durch entsprechende Firmen. Es findet ein Übergang des Besitzes statt, und die Module werden definitorisch zu Elektroschrott. Die Übergabe wird dokumentiert. Das ist wichtig, da nach der WEEE (Waste from Electrical and Electronic Equipment)-Directive, der europäischen Verordnung, der Anlagenbesitzer eine Verpflichtung dazu hat, zu gewährleisten, dass die Komponenten ordnungsgemäß entsorgt und recycelt werden.