Die PV-Industrie beschäftigt sich zunehmend mit der Frage, was mit den langsam größer werdenden Mengen an Altmodulen aus PV-Anlagen passieren soll. Recycling oder zweites Lebens sind dabei die präferierten Optionen. Tom Reiling, Geschäftsführer der Reiling PV-Recycling GmbH & Co. KG, erklärt, was der heutige Stand der Technik beim PV-Recycling ist, nach welchen Kriterien Recyclingkapazitäten aufgebaut werden und wie der Markt für gebrauchte Module funktioniert.
Die Reiling PV-Recycling eröffnet derzeit eine PV-Recycling-Anlage in Münster mit einer Kapazität von 50.000 Tonnen PV-Module pro Jahr. Die Abfallmengen aus PV gelten derzeit jedoch noch als relativ gering, um einen wirtschaftlichen Betrieb von kommerziell betriebenen PV-Recycling-Anlagen zu gewährleisten. Wie ist ihr derzeitiges Standing in diesem Markt und unter welchen Prämissen wurde die Investitionsentscheidung für Münster getroffen?
Bei uns lautete die Annahme, dass es ab 10.000 Tonnen rentabel werden könnte. Aber man muss im Hinterkopf haben, dass wir im PV-Recycling nicht von null angefangen haben, da wir diesen Stoffstrom bereits seit mehreren Jahren in der Reiling Glasrecycling mitaufbereitet haben und nun eine eigene Gesellschaft gegründet haben. Letztes Jahr waren es ca. 5.500 Tonnen, die wir angenommen haben. Da sind ungefähr 275.000 Module. Dieses Jahr erwarten wir eine deutliche Mengensteigerung. Denn jetzt zum Ende des Jahres kommen die ersten PV-Parks. Wenn Parks zurückkommen, sprechen wir davon, dass auf einmal 500 Tonnen, 1.000 Tonnen ankommen, das sind andere Ausmaße. Aktuell ist Recycling noch nicht wirtschaftlich, weil die Mengen für einen wirtschaftlichen Betrieb noch zu gering sind. Aber für die nächsten ein bis zwei Jahren sehe ich zunehmendes Potenzial. Besonders wenn bald noch mehr Sekundärrohstoffe zurückgewonnen werden können.
Wieviel Prozent der Materialien können derzeit wiedergewonnen werden? Und wieviel Prozent eignen sich tatsächlich für die Produktion neuer Solarpanels?
70 bis 80 Prozent eines PV-Moduls besteht aus Glas, deswegen haben wir als Glasrecycler das Modul in unser Portfolio mit aufgenommen. Wir fokussieren uns im Hauptaugenmerk erst mal auf das Glasrecycling, also darauf, eine gute Glasqualität zu erzeugen. Hinzu kommen Alurahmen, Kabel und Junctionbox, die sich gut abtrennen lassen. Wo es herausfordernd wird, ist natürlich bei Silizium sowie den Edelmetallen. Zusammen mit dem Fraunhofer CSP haben wir ein Konzept erarbeitet, um mit unserem mechanischen Aufbereitungsprozess auch einen Fokus auf diese geringfügig vorhandenen Rohstoffe zu legen. Aber wenn es um die Wiedergewinnung von Silizium geht: Da befinden wir uns gerade noch am Anfang. Der Prozess ist entwickelt, jetzt müssen wir ihn in Münster noch entsprechend skalieren.
Am neuen Standort in Münster geht es jetzt darum, Stück für Stück ein Recyclingkonzept aufzubauen. Sie müssen sich das so vorstellen: eine Anlage macht dies, die zweite Anlage ist für etwas anderes zuständig, so auch die Dritte. Wir fokussieren uns gerade darauf, beim recycelten Glas eine gute Glasqualität zu erzeugen, um damit wieder in die Flachglasindustrie gehen zu können. Ob die Beschaffenheit ausreicht, um daraus wieder Photovoltaikglas herzustellen: da bin ich aufgrund der hohen Anforderungen an PV-Glas skeptisch. Aber wenn man daraus wieder eine Fensterscheibe oder ähnliches produzieren kann, ist das schon ein gutes Ziel, wo wir der Qualität Genüge getan haben. Zudem gibt es kaum eine Glashütte in Deutschland, die PV-Glas herstellen. Um diesen unnötigen Transport der Scherben in andere Länder zu vermeiden, ist der Einsatz in der Floatglasindustrie aus unserer Sicht der bessere Weg.
Das heißt, das momentane Ziel ist, das Glasrecycling so zu verbessern, dass wieder Flachglas daraus gemacht werden kann?
Genau. Im ersten Prozessschritt werden der Alurahmen und die Kabel entfrachtet. Für einen Kabelrecycler ist es einfach, das Kupfer zu recyclen. Daraus könnten auch wieder neue Kabel produziert werden. Aus Alurahmen könnten auch neue Rahmen entstehen.
Beim Glas, worauf aktuell unser Hauptaugenmerk liegt, arbeiten wir an einer Qualitätssteigerung, um den hohen Anforderungen der Flachglasindustrie gerecht zu werden. Für die Folie mit dem Silizium, Silber etc. gilt: nebenbei machen wir das Recycling schon. Hat man das Silizium und Silber von den anderen Materialien separiert, muss man sich entscheiden, ob man Silizium und Silber chemisch abtrennt. Aber da ist dann die Frage: Ist das noch wirtschaftlich?
Welche verschiedenen Verfahren für PV-Recycling setzen sich derzeit durch, welches Verfahren wird am neuen PV-Recycling Standort der Reiling PV-Recycling in Münster angewendet werden und welche Vorteile weist dieses gegenüber anderen auf?
Wirtschaftlichkeit ist eine große Frage und natürlich auch Machbarkeit. Um hier eine Verbindung zur ersten Frage herzustellen: Wenn wir von einem zu recyem Aufkommen von 5.500 End-of-Life Modulen sprechen, sind das ca. 275.000 Module. Ein Recyclingkonzept muss auch darauf basieren, dass man die Menge, die zurückkommt, händeln kann. Es gibt zwei, drei interessante Start-ups auf dem Markt, die die Einzelteile des Moduls sehr gut aufgeschlüsselt bekommen. Aber wenn es um den Durchsatz der Anlagen geht, sehen wir Probleme.
Beim Hot-Knife-Verfahren wird die Folie mit einem heißen Messer runtergeschnitten. Bei einem anderen Verfahren wird die Rückseitenfolie abgefräst oder sogar mit einem Wasserstrahl abgelöst. Es gibt Ansätze, um den Verbund chemisch zu lösen. Die Eignung all dieser Verfahren hängt zunächst einmal vom Modultyp ab, aber auch ganz stark von dem Zustand, in dem das Modul im Recycling angeliefert wird, ob es beispielsweise einen Glasbruch hat oder stark verbogen ist.
Wir kommen aus dem Flachglasrecycling. Deswegen wenden wir ein normales, mechanisches Verfahren an. Wir zerkleinern das Modul erstmal, um den Verbund aufzulösen, und dann separieren wir diesen Stoffstrom anhand von physikalischen Eigenschaften, die die einzelnen Materialien haben, zum Beispiel NE-Metalle, stromleitend, magnetisch. Separiert wird über Dichtetrennung. Wir verfolgen jedoch immer alle Entwicklungen zu den neuesten Verfahren und sind offen, das Derzeitige mit Weiteren zu ergänzen. Bei unserem mechanischen Ansatz ist der große Vorteil, dass wir im industriellen Maßstab recyceln können, und zwar unabhängig von Größe, Aufbau und Zustand des PV-Moduls.
Spielt beim Design einer Solarzelle der Gedanke an ein späteres Recycling eine Rolle? Falls Nein, wie können Faktoren zur verbesserten Recyclebarkeit künftig von der Forschung mehr in die Zelldesigns integriert werden?
Aus dem Bereich des Glasrecyclings hat unsere Erfahrung gezeigt, dass den Produzenten mit ins Boot zu holen, schon immer eine Herausforderung war. Im Fall PV: Neue Module sind dafür ausgelegt, möglichst unzerstörbar zu sein, weil sie möglichst lange im Feld funktionieren sollen. So soll es ja auch sein. Aber neuere Module kriegt man teilweise noch schwieriger recycelt als alte. Folien und Kleber halten heute noch viel besser aneinander, und das macht es für das Recycling natürlich schwieriger. Als Recyclingunternehmen ist man das gewohnt. Wir werden meistens vor vollendete Tatsachen gestellt.
Am Standort Münster wird es auch eine Prüfstraße geben, auf der geprüft wird, ob ein Modul überhaupt ins Recycling kommt oder ob eine Zweitverwendung, das sogenannte Repowering, in Frage kommt. Wie wird geprüft und wie sieht der second-life-Markt für Module derzeit aus?
Wenn wir entscheiden: diese Module sind für die Wiederverwendung geeignet, dann werden die bei uns geprüft. Es ist dieselbe Maschine wie beim Hersteller. Jetzt am Anfang haben wir auf unseren Dächern viele Module selbst eingesetzt und an unsere Mitarbeiter verkauft. Zukünftig wollen wir einen Online-Shop aufbauen, um die Module dort zu vertreiben. Zurzeit bekommen wir nicht viele Module, die sich für eine Wiederverwendung lohnen. Zwar sind viele der Module, die zurückkommen, noch intakt. Die Frage ist immer, lohnt es sich, sie wiederzuverwenden? Ist es wirtschaftlich? Jetzt, wo die Modulpreise gerade so stark gesunken sind. Wir haben schon Kaufangebote gemacht, wo wir als Antwort bekommen haben, die neuen Module seien ebenfalls sehr günstig mit 25 Jahre Garantie. Der Markt für gebrauchte Module läuft gerade noch gut. Aber wenn die Preise für neue Module weiter so fallen, dann wird auch das in Zukunft schwierig. Denn man darf nicht vergessen: Das Testen kostet natürlich etwas. Wir müssen dabei natürlich auch an die Wirtschaftlichkeit des Ganzen denken.
Wie ist das Verfahren in der Prüfstraße? Was für ein Kriterium muss ein Modul erfüllen, um in diesem Prozess als wiederverwendbar charakterisiert zu werden?
Wenn ein Modul bei uns ankommt, dann gucken wir erst mal, ist das beschädigt? Wie hoch ist die Angabe der Nennleistung auf dem Typenschild? Macht die Prüfung wirtschaftlich Sinn? Häufig stellen wir in den Tests fest, dass die Degradation älterer Module geringfügiger als erwartet ist. Die Module müssen elektrisch sicher sein und sie müssen noch über eine ausreichende Leistung verfügen. Anhand verschiedener Qualitätskriterien werden die PV-Module bewertet und in die entsprechenden Anwendungsgebiete zurückgeführt.
Das Interview führte Sarah Hommel de Mendonça.