Die solare Dekade hat begonnen

Experteninterviews – Freitag, 13. März 2020

Herr Schmela, wie bewerten Sie die aktuellen Entwicklungen im europäischen PV-Markt?

Insgesamt sehr positiv, denn es geht deutlich aufwärts. In der EU wurden im vergangenen Jahr knapp 17 Gigawatt (GW) neu installiert, der Zubau hat sich damit im Vergleich zu 2018 glatt verdoppelt. Einen stärkeren Zubau gab es nur in 2011, allerdings schätze ich den PV-Boom heute deutlich nachhaltiger ein, weil es einfach mehrere starke PV-Märkte in der EU gibt. Ich erwarte in diesem Jahr mehr als 20 Gigawatt neue Installationen – die solare Dekade hat begonnen.

Was sind die zukünftigen Treiber für den PV-Zubau?

Der Schlüssel liegt in der Wettbewerbsfähigkeit. Die Photovoltaik ist mittlerweile günstiger als andere Erzeugungstechnologien – und es wird von Jahr zu Jahr besser, weil das Reduktionspotential der Kosten bei Solarstrom höher ist als bei anderen Techniken. Allerdings braucht es dazu einen eindeutigen politischen Willen in der EU, die gesteckten Ziele zu erreichen. Allerdings hatte mehr als die Hälfte der 28 Mitgliedsländer Ende 2018 ihre Ökostromziele für 2020 noch nicht erfüllt. Ein weiterer Vorteil von PV ist eindeutig die Vielfältigkeit. Sie kennt fast keine Grenzen und kann auf dem eigenen Dach, in der Solarfassade, als Freiflächen-Kraftwerk oder sogar als schwimmende Anlage auf Gewässern gebaut werden. Bei SolarPower Europe gehen wir davon aus, das die PV bis 2040 die dominierende Form der Stromgestehung in der EU sein wird; schon bis Ende dieses Jahrzehnts könnte die Branche rund eine halbe Millionen Jobs schaffen.

Spanien hat im vergangenen Jahr ein richtiges Comeback hingelegt. Welche Märkte in der EU werden sich noch gut entwickeln?

Nach 2008 ist Spanien in der Tat wieder der größte Markt Europas, was vor allem an den verbindlichen 2020 Zielen aus Brüssel liegt. Die PV hat das Gros einer Ausschreibung gewonnen und diese Anlagen haben für einen Großteil des neuen Zubaus von fast 5 GW gesorgt. Aber auch Deutschland hat sich in den letzten beiden Jahren stetig gesteigert und 2019 fast 4 GW erreicht. Die relativ kleinen Niederlande haben beachtliche 2,5 GW zugebaut und Polen hat seinen PV-Bestand um rund 800 Megawatt (MW) auf nun mehr als 1 GW vervielfacht. Unter dem Strich haben 25 von 28 EU-Ländern ihre PV-Installationen im Vergleich zum Vorjahr gesteigert.

Welche neuen Geschäftsmodelle sind im Kommen?

Stromlieferverträge, also PPAs, werden nun auch verstärkt für Solarparks und nicht mehr nur für Windparks abgeschlossen. Subventionsfreier Solarstrom, der direkt mit anderen Erzeugern am Energiemarkt konkurriert, ist sicher ein Trend. Des Weiteren bieten sich durch die Digitalisierung immer mehr neue Geschäftsmodelle, gerade im Vertrieb. Ein prominentes Beispiel ist die Blockchain-Technologie. Sie verringert die Transaktionskosten und ermöglicht so einen unbürokratischen Stromhandel unter Nachbarn. Hier passen die dezentralen Strukturen der IT wunderbar zu denen der Ökostromanlagen. Zudem werden durch die stärkere Flächenkonkurrenz neue Modelle wie Floating PV und Agro PV immer attraktiver, auch wenn mit ihnen erstmal Mehrkosten verbunden sind.

Auf der Intersolar Europe waren in den vergangenen Jahren besonders viele Modulinnovationen zu begutachten. Welche technologischen Trends sehen Sie?

In der Tat gibt es bei den Modulen viele Innovationen. Um nur einige Beispiele zu nennen: Immer mehr Hersteller bieten bifaziale Module an, die beidseitig Strom erzeugen. Auch Module mit Halbzellen gibt es immer mehr, weil die Vorteile weniger interne Verluste produzieren. Es gibt neue Module, bei denen die Zellen wie Dachziegel überlappen (sog. Shingling-Module) oder bei denen zwischen den Zellen keine Zwischenräume mehr gelassen werden (sog. Paving/Tiling Module), um so den Modulwirkungsgrad zu erhöhen. Ein weiterer Trend sind immer größere Wafer – die neuesten Formate heißen M6 und M12 mit 16,6 bzw. 21 Zentimetern Kantenlänge im Vergleich zu den heute vorherrschenden M2 Wafern mit 15,7 Zentimeter Kantenlänge. Summa summarum ist mehr Modul-Leistung gefragt. Allerdings werden durch größere Wafer auch die Module grösser und das heißt mehr Aufwand beim Handling. Da sich PERC als Zelle nun bei den Modulproduzenten durchgesetzt hat wäre der nächste Schritt der Einsatz von effizienteren Solarzellentechnologien, wie zum Beispiel Heterojunction-Zellen, die seit kurzem hier in Europa von Enel in Italien produziert werden. Damit kann die Solarmodulleistung erhöht werden ohne das Format vergrößern zu müssen.

Module sind derzeit eine knappe Ware. Befürchten Sie steigende Modulpreise in Europa, weil der Corona-Virus viele Fabriken in China lahmlegt?

Der Handelsplatz PVxchange hat ja leicht steigende Preise in den letzten Wochen in Europa gezeigt. Ich denke, man weiß das nicht so genau – und wenn dann eher kurzfristig. Viele Chinesen haben in den Frühlingsferien durchproduziert, statt ihre Fabriken zu schließen. Daher könnte es doch mehr Module auf dem Markt geben als befürchtet. Hinzu kommt, dass der chinesische Heimatmarkt im Rahmen der Marktumstrukturierung und nach der Absenkung der Vergütung nicht mehr so attraktiv ist. Ausländische Märkte wie die EU werden von einigen chinesischen Herstellern deshalb gerade prioritär beliefert. Da das Coronavirus nun offiziell als Pandemie eingestuft wurde, könnte es aber durchaus dramatischere Auswirkung haben.

Sind eigene europäische Modulhersteller nun noch wichtiger für die EU?

Keine Frage, SolarPower Europe würde gern mehr europäische Hersteller sehen. Denn nicht nur die Nachfrage auf dem heimischen Markt, sondern auch das Angebot an Modulen ist wichtig. Die Chinesen haben es verstanden, ihre Hersteller umfassend durch eine Industriestrategie zu unterstützen. Es gibt durchaus Instrumente innerhalb der EU, die eine Förderung auch im Rahmen der Beihilferegelung erlauben. Nicht zuletzt sollte das Argument der Energiesicherheit mehr Gewicht bekommen: Mehr Ökostrom ermöglicht der EU mehr Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern aus dem Ausland und sichert Jobs im Binnenmarkt. Hier braucht die EU aber auch die Signale aus den einzelnen Mitgliedsländern. Es gilt nun im Rahmen des Green Deal die richtigen Werkzeuge zum schnellen Ausbau der Solarenergie zu entwickeln und einzusetzen. Klar ist, wir benötigen eine umfassende und ambitionierte Industriestrategie für die Solarenergie und andere Erneuerbare Energien mit einem Fokus auf heimischer Produktion – nur so können wir die Klimaziele der EU nachhaltig erreichen.

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