Die Renaissance der PV-Produktion in Europa war eines der vorherrschenden Themen auf dem Forum Neue Energiewelt im vergangenen September in Berlin. Durch die pandemiebedingten Probleme in den weltweiten Lieferketten, die zu enormen Preissteigerungen für importierte Solartechnik geführt haben, ist die Produktion von PV-Komponenten in Europa in den letzten Jahren wieder zunehmend wettbewerbsfähig geworden. Darüber hinaus haben Produktinnovationen zu einem Wiederaufleben der europäischen PV-Produktion beigetragen.
Der Krieg in der Ukraine und die damit einhergehende Kostensteigerung der fossilen Energieerzeugung haben die steigende Nachfrage nach Photovoltaik noch weiter befeuert – und damit die Notwendigkeit, Hersteller entlang der gesamten PV-Wertschöpfungskette wieder nach Europa zu bringen. Dazu kommen das vorhandene Know-how in Forschung und Maschinenbau.
Pionierinitiativen sind erfolgreich angelaufen; Investitionen gewinnbringend getätigt worden. Trotzdem läuft die Renaissance der PV-Produktion in Europa Gefahr, von den derzeit steigenden Material- und Elektrizitätskosten, bahnbrechenden Förderprogrammen in den USA und Indien sowie der sich zu zögerlich entfaltenden, politischen Unterstützung beeinträchtigt zu werden.
EU-weite Zusammenschlüsse wie die „Solar Manufacturing Accelerator“-Initiative zielen auf die Wiederansiedlung der Produktion in Europa und deren Weiterentwicklung ab. Die Europäische Union lancierte kürzlich die „Solar Photovoltaic Industry Alliance“ mit dem Ziel, bis 2025 30 Gigawatt (GW) Produktionskapazität auf dem alten Kontinent zu schaffen. Dafür will die EU-Kommission über die europäische Aufbau- und Resilienzfazilität zusätzlich 20 Millionen Euro für den RePowerEU-Plan zur Verfügung stellen.
Die europäische PV-Branche begrüßt die jüngsten Vorstöße, drängt jedoch auf schnellere und entschlossenere Maßnahmen, um die dringend erforderliche Hochskalierung der Produktion zu erreichen statt den Fokus nur auf technologische Innovationsförderung zu setzen: "Europa ist seit Jahrzehnten Technologieführer in der Branche, aber selbst mit innovativen Produkten fehlen mit dem derzeitigen, völlig unzureichenden industriellen Ökosystem und dem nicht wettbewerbsfähigen regulatorischen Umfeld in Europa die Stimuli für den Wiederaufbau der ganzen Wertschöpfungskette. Die PV-Industrie braucht industriepolitische Unterstützung, um rasch hochzuskalieren und Skaleneffekte zu erreichen“, sagt Dr. Moritz Borgmann, Chief Commercial Officer beim Schweizer Technologie-Unternehmen Meyer Burger.
Meyer Burger stellt im deutschen Solar Valley PV-Zellen und -Module her und hat sich als eines der ersten Unternehmen in die europäische Produktion zurückgewagt. Derzeit erreicht die Produktion in Freiberg (Sachsen) eine Kapazität von 400 Megawatt (MW) und soll bis 2023 auf 1,4 GW, bis 2027 auf 7 GW erhöht werden.
Ebenfalls im Solar Valley niedergelassen hat sich das baden-württembergische Unternehmen NexWafe, das preisgünstig Siliziumwafer, das bislang teuerste Bauteil der Solarmodule, in Massenproduktion herzustellen plant. Das Start-up hat ein Verfahren entwickelt, das den Siliziumverlust bei der Herstellung von Wafern um 90 Prozent reduziert. 2024 soll die Produktion mit 500 MW starten und bis auf 3 GW erweitert werden können.
Auch andere europäische Branchenplayer ziehen mit: Italiens Modulhersteller 3Sun Factory plant die Produktion von derzeit 80 MW auf 3 GW in 2023 hochzufahren. Der norwegische Produzent von monokristallinen Siliziumblöcken und -wafern NorSun sieht vor, seine jährliche Produktionskapazität von derzeit 1 GW auf 4 bis 5 GW in 2024 zu erhöhen. Die Produktion erfolgt ausschließlich mit grünem Strom aus Wasserkraft.
Auch im PV-Maschinenbau zeichnet sich durch die großen Nachfragesteigerungen in Europa eine Kehrtwende ab: Laut VDMA waren im zweiten Quartal 2022 die europäischen Auftragseingänge erstmals seit 14 Jahren höher als die asiatischen. Die Umsätze in Europa nahmen um den Faktor vier im Vergleich zum Vorquartal zu. Die Produktionsindustrie ist trotz aller Hindernisse aus dem Dornröschenschlaf erwacht.