Landwirte setzen schon seit Jahren auf Photovoltaik (PV). Mittlerweile sind PV-Dachanlagen auf landwirtschaftlichen Gebäuden in Regionen wie Süddeutschland schon mehr oder minder Standard. Rasant steigende Energiepreise für Strom und fossile Energieträger sowie die Klimaschutzdiskussion verleihen der Nachfrage von Landwirtschaftsbetrieben nach Photovoltaikanlagen einen zusätzlichen Schub. Auch regulatorische Verbesserungen, wie die weggefallene EEG-Umlage in Deutschland, lassen das Interesse von Landwirten an der dezentralen Photovoltaik weiterwachsen.
Die Kombination von PV und Stromspeichern wird hierdurch lukrativer und rechnet sich vielfach. Ebenso die verstärkte Nutzung von eigenem Solarstrom bieten interessante Ansätze für den Weiterbetrieb von ausgeförderten Anlagen. Ein weiterer Trend sind PV-Freiflächenanlagen, die eine doppelte Ernte der landwirtschaftlichen Nutzflächen ermöglichen. Zukunftsweisend ist zudem die kollektive, dezentrale Nutzung von Solarstrom von Freiflächenanlagen in Kombination mit der landwirtschaftlichen Produktion oder PV-Inselanlagen an netzfernen Standorten für die Landwirtschaft.
Die Streichung der EEG-Umlage auf selbst erzeugten Strom durch das novellierte EEG 2023 (Erneuerbare-Energien-Gesetz) machen den Eigenverbrauch in Deutschland gerade für landwirtschaftliche Betriebe mit ihren meist größeren Photovoltaikanlagen und ihrem hohen Stromverbrauch nochmals attraktiver. Bis zum Juli 2022 war nur der Eigenverbrauch von PV-Anlagen mit einer Leistung bis zu 30 Kilowatt (kW) von der Umlage befreit.
Diese lag 2022 bei 3,72 Cent/kWh. Bei größeren PV-Anlagen waren 40% der Umlage fällig. Landwirte beschränkten ihre Anlagegröße plus Batteriespeicher deshalb häufig auf 30 kW, obwohl der Strombedarf ihrer technischen Geräte wie Stalllüftung, Milchkühlung, Melkroboter oder Wasseraufarbeitungsanlagen plus E-Fahrzeugen weit höher liegt. Durch den Wegfall der EEG-Umlage erweitern nun viele landwirtschaftlichen Betriebe ihre PV-Anlagen und Speicher oder investieren in neue.
Auch die Umstellung größerer PV-Anlagen, welche 20 Jahre lang durch das EEG gefördert und auf Eigenverbrauch ins Stromnetz eingespeist wurden, gewinnen durch den Wegfall der EEG-Umlage an Lukrativität. Zunehmend bietet es sich für Landwirte an, überschüssigen Solarstrom auch für die Warmwasserbereitung – die elektrische Wärmeversorgung – zu nutzen (Power2Heat). Angesichts der stark gestiegenen Wärmepreise ist dies meist sogar ohne Wärmepumpe, nur mit elektrischen Heizstäben, wirtschaftlich. So können etwa eine – bereits installierte – Pelletheizung, ein Hackschnitzelofen oder ein Blockheizkraftwerk (BHKW) im Sommer stillstehen und nur im Winter laufen.
Im Trend: Doppelte Flächennutzung in der Landwirtschaft
Während Landwirte bisher meist nur ihre Dachflächen für die Photovoltaik nutzten, liegt nun eine Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen für die Nahrungsmittel- und die Solarstromproduktion zunehmend im Trend. Oberbegriff hierfür ist die Agri-Photovoltaik (Agri-PV), wobei es hierbei mehrere Spielarten gibt. Zum einen setzen immer mehr Landwirte auf die Installation von Freiflächenanlagen mit Trackern auf Äckern und Wiesen. Diese können zum einen dem Lauf der Sonne folgen und dadurch auch hierzulande rund 20 Prozent mehr Ertrag erreichen als übliche festaufgeständerte Module. Bei Bedarf können die Solarpanele in eine senkrechte oder waagrechte Stellung gedreht werden, sodass sie den landwirtschaftlichen Maschineneinsatz – sei es zum Pflügen, Eggen, Säen, Schneiden oder Ernten – nicht behindern.
Wenn bifaziale Solarmodule verwendet werden, kann die Stromausbeute weiter erhöht werden: Diese nutzen nicht nur die Vorderseite für die Stromproduktion, sondern auch das Licht, das vom Boden reflektiert und auf die Modulrückseite trifft. Von Vorteil kann auch die Nord-Süd-Ausrichtung der Tracker sein. Denn der höhere Schattenwurf der Module kann das Pflanzenwachstum von Kulturen, welche mit weniger Sonneneinstrahlung besser gedeihen, optimieren. Die Wasserverdunstung wird reduziert, was sich insbesondere während Dürrephasen auszahlt.
PV-Dachanlagen: Großes Potential im Obst-, Beeren- und Weinbau
Eine andere Variante der Agri-PV ist die (Teil) Überdachung von Kulturen mit höher aufgeständerten PV-Modulen. Interessant ist dies insbesondere für den Obst-, Beeren- und Weinbau und grundsätzlich für Pflanzen, die mit weniger Sonne besser wachsen. So soll bei der Kräuterfirma Steinecke im niedersächsischen Lüchow im Frühjahr u.a. Schnittlauch unter Solarstrom geerntet werden. Auf 6 Metern Höhe sind über der 1 Hektar großen Ackerfläche teiltransparente PV-Module montiert. Die Durchfahrbreite für Maschinen beträgt 18 Meter. 700.000 kWh Strom jährlich soll die Pilotanlage liefern, dazu 30 Tonnen Schnittlauch.
Für Äpfel, Himbeeren und Wein gibt es ebenfalls etliche Pilot- und auch erste kommerzielle Agri-PV Anlagen u.a. in den Niederlanden. Ein Vorteil hierbei ist, dass herkömmliche Schutzvorrichtungen wie Hagelnetze oder Folientunnel durch „Solardächer“ ersetzt werden können, welche die Pflanzen vor Austrocknung schützen. Vielfach sind allerdings die Investitionskosten für Agri-PV – vor allem in horizontaler Aufständerung. Grund dafür sind aufwändigere Unterkonstruktionen und speziell angefertigte Module, die derzeit noch teurer sind als herkömmliche Freilandanlagen. Doch mittlerweile gibt es erste Schritte für Großanlagen. So kündigte die Commerzbank jüngst die Finanzierung einer 50 Megawatt (MW) starken Agri-PV-Anlage im Großraum Berlin an.
Enorme Chancen in der Landwirtschaft durch kollektiven Eigenverbrauch
Interessante Möglichkeiten bietet auch die dezentrale, kollektive Nutzung von Solarstrom, die mit der Revitalisierung der landwirtschaftlichen Nutzung kombiniert ist. Wie dies funktionieren kann, macht eine regionale Genossenschaft in Catral in Südostspanien vor. Sie errichtete auf einem bisher ungenutzten Brachgelände auf vier Hektar eine 1,84 MW starke PV-Freiflächenanlage. Circa ein Drittel der Fläche der ehemaligen Brachfläche wird nun wieder landwirtschaftlich genutzt – mit einheimischen Arten wie Zitronen- und Orangenbäumen sowie Dattelpalmen.
Möglich ist dieses Projekt auch deshalb, weil die spanische Regierung schon 2019 den sogenannten kollektiven Eigenverbrauch zugelassen hat.
Vielfältige Anwendungsbereiche ergeben sich für die Landwirtschaft zudem über Off-Grid-PV-Lösungen für netzferne Standorte, auch in Europa. So für die Wasserversorgung, beispielsweise von Rinderställen im Südosten Frankreichs. Die Investitionskosten machen sich meist rasch über die vermiedenen Kosten für den Netzanschluss sowie den Ersatz von Dieselgeneratoren bezahlt.
Agri-PV auf der Intersolar Europe 2023 und der begleitenden Conference
Über die neuesten Trends der Nutzung von Photovoltaik in der Landwirtschaft informiert die diesjährige Intersolar Europe. Hier bekommen Besucher einen Überblick über die Lösungen von Servicedienstleistern für die „Solarlandwirte“. So präsentieren sich u.a. Unternehmen, die eine Reinigung von PV-Anlagen auf Tierställen mit selbstfahrenden Putzrobotern anbieten.
Die Intersolar Europe findet in diesem Jahr vom 14. bis 16. Juni 2023 auf der Messe München im Rahmen von The smarter E Europe statt. Als Impulsgeber der Branche widmet sich auch die Intersolar Europe 2023 sowie die begleitende Intersolar Europe Conference dem spannenden Bereich der Agri-PV. Die Intersolar Europe Conference findet am 13. und 14. Juni 2023 im International Congress Center München (ICM) statt. Mehr zu den Conference-Themen werden zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.
Unsere Trendpapiere bieten Ihnen Hintergründe und aktuelle Entwicklungen in ausgewählten Bereichen der neuen Energiewelt. Jedes Trendpapier steht auch als PDF-Version zum Download zur Verfügung. Die Übersicht über alle Trendpapiere finden Sie auf der Website von The smarter E Europe.